Das Bundesverfassungsgericht versteht unter Religionsunterricht
„keine überkonfessionelle vergleichende Betrachtung religiöser Lehren, bloße Morallehre, Sittenunterricht, historisierende oder relativierende Religionskunde, Religions- oder Bibelgeschichte. Sein Gegenstand ist vielmehr der Bekenntnisinhalt, nämlich die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Diese als bestehende Wahrheiten zu vermitteln, ist seine Aufgabe. Dafür, wie dies zu geschehen hat, sind grundsätzlich die Vorstellungen der Kirchen über Inhalt und Ziel der Lehrveranstaltung maßgeblich. Ändert sich deren Verständnis vom Religionsunterricht, muss der religiös neutrale Staat dies hinnehmen.“ .
BVerfGE 74, 244, 252 f.
Wer also meint, der Religionsunterricht müsse in der Schule stattfinden, damit der Staat die Kontrolle darüber behält, der irrt entweder gewaltig oder will sich Geld aus öffentlichen Quellen sichern, um nicht das Budget der eigenen Religionsgemeinschaft zu belasten.
Christen, Juden, Buddhisten, Moslems, um nur einige zu nennen, vertreten ganz unterschiedliche Glaubenssätze. Selbst innerhalb derselben Glaubensrichtung weichen die Auffassungen der Religionsgemeinschaften oft so erheblich voneinander ab, dass sie sich gegenseitig bekriegen. Ob Protestanten und Katholiken in Irland oder Sunniten und Schiiten in islamischen Ländern – sie vertreten unversöhnliche Gegensätze. Jeder will seine Lehre als bestehende Wahrheit verkünden, aber sie können unmöglich alle gleichzeitig wahr sein. Indem die Schule einander widersprechende Unwahrheiten gleichberechtigt im Unterricht zulässt und den Kindern als Wahrheit präsentiert, verhält sie sich „neutral“, aber verantwortungslos. Es widerspricht dem Bildungs- und Erziehungsziel, wie es im z.B. Schulgesetz Berlins formuliert ist:
Die Schule soll Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen vermitteln, die die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, ihre Entscheidungen selbständig zu treffen und selbständig weiterzulernen, um berufliche und persönliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, das eigene Leben aktiv zu gestalten, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen und die Zukunft der Gesellschaft mitzuformen.
Schulgesetz für das Land Berlin, § 3 Bildungs- und Erziehungsziele
Wie können Schüler Entscheidungen selbständig treffen, wenn ihnen statt der Kriterien dafür unveränderliche Glaubenssätze beigebracht werden? Wie sollen sie selbständig weiterlernen, wenn sie in der Schule mit Legenden abgespeist statt mit gesicherten Grundlagen des Wissens versorgt werden?