Deutsch und Mathe mangelhaft, aber Religion spitze

Atheisten kritisieren Aufwertung des Religionsunterrichts in Berlin

28.03.2024 Der Berliner Senat hat nun bekanntgegeben, mit welcher Schulgesetzänderung er ab August 2024 den bekenntnisorientierten Religionsunterricht deutlich stärken will. Konkret heißt das: Religionsgemeinschaften sollen das Recht erhalten, Religionsunterricht zu erteilen, wenn sie es wünschen und die Nachfrage besteht. Schulen werden verpflichtet, die Eltern zur Teilnahme ihrer Kinder am Religionsunterricht zu befragen. Dann sind die Schulen gezwungen, ihn anzubieten. Ein Schelm, wer da nicht vermutet, dass Nachfrage getriggert werden soll. Über diese Aufwertung rückständiger Glaubenslehren an den Berliner Schulen sind wir fassungslos. Die Jugendlichen müssen viele Herausforderungen meistern: Digitalisierung, politische Orientierung, Wissensexplosion – und da kommt ein Berliner Senat und will ihnen uralte Glaubensdogmen verordnen. Das ist völlig aus der Zeit gefallen.

Religionsunterricht widerspricht Bremer Klausel

Tatsächlich braucht Berlin überhaupt keinen Religionsunterricht anzubieten. Nach Art. 141 unseres Grundgesetzes („Bremer Klausel“) ist Berlin davon befreit. Der Senat könnte sich auf diese Gesetzeslage stützen und die religiösen Unterweisungen endlich aus den Schulen entfernen. Stattdessen definiert er neue Pflichten der Schulen gegenüber den Religionsgemeinschaften – welch Anachronismus!

Wie sehr der Senat an der Aufwertung des Religionsunterricht interessiert ist, zeigt auch die üppige Aufstockung der Finanzierung: Statt 67 Millionen Euro in 2023 müssen die Berliner Steuerzahler dann 83 Millionen Euro allein für den Religions- und Weltanschauungsunterricht aufbringen. Das sind rund 24% mehr als im Vorjahr. Damit steigt der Anteil von Religion und Rückschritt in der Berliner Bildungslandschaft.

Religionsunterricht ist kein Beitrag zum Bildungsauftrag

Die Schule hat einen Bildungsauftrag, der auch im Berliner Schulgesetz verankert ist: „Die Schule soll Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen vermitteln, die die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, ihre Entscheidungen selbständig zu treffen und selbständig weiterzulernen, um berufliche und persönliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, das eigene Leben aktiv zu gestalten, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilzunehmen und die Zukunft der Gesellschaft mitzuformen.“ Dies ist durch den Religionsunterricht, also Glaubensunterweisung, nicht gewährleistet. Statt den Schülern fundiertes Wissen und kritisches Denken zu vermitteln, sollen ihnen alte, unwissenschaftliche Dogmen eingetrichtert werden, die von der Existenz imaginärer Wesen ausgehen.

Berliner haben bereits 2009 widersprochen

Einen Bedarf an diesem Unterricht kann der Senat nicht nachweisen. Die Berliner Bevölkerung lehnte es mit ihrem Nein zum Volksentscheid „Pro Reli“ im Jahr 2009 eindeutig ab, den Religionsunterricht zu einem Wahlpflichtbereich aufzuwerten. Seitdem konnte der Senat keine Veränderungen in der Stadtgesellschaft feststellen, die die Einführung eines solchen Wahlpflichtfachs legitimiert hätten. Im Gegenteil: Die Teilnehmerzahlen am Religionsunterricht sinken von Jahr zu Jahr; an vielen Schulen findet er nur noch als AG statt.

Beim Vorhaben des Senats, den Religionsunterricht in dieser Legislaturperiode zu einem ordentlichen Schulfach umzuwandeln, handelt es sich offenbar um ein politisches Ziel religionsaffiner Politiker in der schwarz-roten Koalition, insbesondere der CDU, und vielleicht eine späte Rache der Pro-Reli-Verlierer. Mit diesem Prestigeprojekt konnte sich die CDU nicht durchsetzen. Vorerst – betonen kirchliche und andere Medien. Die Berliner Zivilgesellschaft muss also wachsam bleiben.

Blick von außen fehlt

Aktuell bieten in Berlin acht Glaubensrichtungen Religionsunterricht an, von denen jeder beansprucht, seine spezifische, auf bloßen Glauben gegründete Lehre als gültige Wahrheit zu vermitteln. Dabei werden die Heranwachsenden nach ihren eigenen oder den Konfessionen ihrer Eltern separiert. Das ist für die Erarbeitung gemeinsamer Haltungen, für Zusammenhalt und gegenseitige Toleranz nicht förderlich. Ein säkularer Blick von außen auf Religionen, wie er durch Religionskunde vermittelt werden könnte, ist wünschenswert, jedoch nicht vorgesehen.

Wir fordern den Senat auf, von den in der Schulgesetznovelle formulierten Erweiterungen des Religionsunterrichts Abstand zu nehmen. Religion ist keine Bildung, und Religionsunterricht gehört nicht in die Schule!

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