Politiker wünschen mehr Religion in den Schulen

08. 01. 2024 Folgt man der Haushaltsdebatte  vom 14.12.2023 im Berliner Abgeordnetenhaus, könnte man auf den Gedanken kommen, Religion wäre die vorherrschende, wenn nicht gar bestimmende Denkweise in Berlin. So meint Raed Saleh (SPD):

Das Christentum gehört zu Deutschland und zu Berlin. Das Recht zu glauben oder auch nicht zu glauben, einer Religion anzugehören oder keiner Religion anzugehören, gehört zu Deutschland und zu Berlin, und selbstverständlich gehört auch der Islam zu Deutschland und Berlin.

Haushaltsdebatte S. 22

Liebe Leute, die Mehrzahl der Berliner ist konfessionsfrei! Was heißt „gehört zu“? Räder gehören zum Auto – ohne sie wäre es keines. Berlin gehört zur Bundesrepublik – ohne Berlin hätte die BRD ein Loch in der Mitte. Aber ist das Christentum notwendig für Deutschland ? Nein, ist es nicht. Kann Berlin ohne Islam existieren? Ja, kann es. Zutreffend ist hingegen: In Berlin leben Atheisten und Konfessionslose und Menschen, die einer Religion anhängen. Sie alle sollen und müssen friedlich zusammenleben. Das geht nur, wenn Religion als Privatsache behandelt wird und niemand versucht, dem anderen seine Anschauungen mit Gewalt überzustülpen.

Religionsunterricht ist nicht hilfreich

Hilft es dabei, Schüler nach Konfessionen zu separieren und ihnen die jeweiligen Glaubenssätze als bestehende Wahrheiten zu vermitteln? Nein, es stützt nur die Selbstüberhöhung der einzelnen religiösen Gruppen. Einander widersprechende Aussagen zum gleichen Sachverhalt können nicht alle gleichzeitig wahr sein. Damit kann jede Gruppe behaupten, die anderen Religionen liegen falsch. Mit Recht, denn alle zusammen widersprechen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Dass dennoch Religionsunterricht in staatlichen Schulen erteilt wird, ist der Machtposition der Kirchen bei der Verabschiedung des Grundgesetzes geschuldet und ihrer auch heute noch privilegierten Position. Es fehlen der politische Wille und die Durchsetzungsfähigkeit der Politiker, diesen anachronistischen Zustand zu beenden.

Sandra Khalatbari (CDU) trägt in der Haushaltsdebatte vor: „… der Religionsunterricht ist per Gesetz ein ordentliches und damit reguläres Schulfach, die Einbettung in die Lehrpläne der öffentlichen Schulen in den Bundesländern allerdings verschieden geregelt. In Berlin wird es um die Einführung eines Wahlpflichtfaches Weltanschauung und Religion als ordentliches Lehrfach gehen und somit auch um eine Veränderung bei den entsprechenden Lehrkräften.“ Das heißt, um den Kindern unwissenschaftlichen Kram einzutrichtern, werden mehr Lehrkräfte gebraucht.

Khalatbari  weiter: „In Zeiten wie diesen, wo seit dem 7. Oktober dieses Jahres mit dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel vieles infrage gestellt wurde und auch nach wie vor wird, können und, ich meine, müssen ethische, religiöse Fragestellungen einen angemessenen Platz in der Berliner Schule finden.“ [ebd. S.111] Selbstverständlich müssen diese Ereignisse in der Schule behandelt werden. Aber woher nimmt sie die Überzeugung, dass mehr Glaubensunterweisung in getrennt abzuhaltenden Unterrichtsstunden zu mehr Verständnis für politische Vorgänge und zu mehr Toleranz gegenüber Andersdenkenden führt? Religion spielt in dem Krieg definitiv eine große Rolle. Nicht ohne Grund sagt Dirk Stettner (CDU): „Blicken wir in diese Welt voller Krieg und Hass, dann sehen wir, dass Glauben und Religion instrumentalisiert werden“ [ebd. S.13]. Klärt der Religionsunterricht darüber auf?

Aufgeklärtes Weltbild?

Dennis Haustein (CDU) wünscht, „dass der interreligiöse Dialog stattfindet“. Offenbar hat  er (wie auch einige andere Redner) schlicht vergessen, dass die meisten Berliner nicht religiös sind. Wenn Dialog, dann bitte gesamtgesellschaftlich. Haustein führt weiter aus: „Nicht zuletzt benötigt auch ein friedliches Miteinander ein aufgeklärtes Weltbild und einen gemeinsamen Wertekompass. Aus diesem Grund werden wir einen wertgebundenen Unterricht etablieren, nämlich den Religions- und Weltanschauungsunterricht, der von allen gleicher maßen wahrgenommen werden muss, um Verständnis und Toleranz für andere Ansichten schon in der Schule vermittelt zu bekommen.

Ein aufgeklärtes Weltbild also. Darunter stelle ich mir eines vor, das von Tatsachen ausgeht und nicht von Legenden und jahrhundertealten Dogmen. Das den Dingen auf den Grund geht, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, statt Gottes unergründliche Wege anzunehmen. Was sollen die Schüler stattdessen aber bekommen? Religionsunterricht, den sie nicht schwänzen dürfen. Man kann den Berlinern nicht einmal vorwerfen, dass sie mit der CDU falsch gewählt hätten, denn alle Parteien sind religiös ausgerichtet, auch die Linke. Franziska Brychcy (LINKE) sagt z.B.: „Frau Khalatbari, Sie haben angesprochen, wie wichtig es ist, dass religiöse Vielfalt auch in den Schulen Platz findet. Das teilen wir selbstverständlich.“

Glaubensfragen gehören nicht in die Schule

Wir als Atheisten teilen das nicht. Wir meinen, Glaubensfragen gehören nicht in die Schule. Es gibt wirklich Wichtigeres. Falls im Kunst- oder Literaturunterricht religiöse Motive auftauchen, kann man sich damit betrachtend auseinandersetzen. Und im Geschichts- und im Politikunterricht kann die verheerende Rolle der Religionen im Zusammenleben der Menschen thematisiert werden. Eine Rolle, die wir jetzt vor unserer Haustür zur Kenntnis nehmen müssen. Als Wertekompass ist Religion ungeeignet.

2 Gedanken zu „Politiker wünschen mehr Religion in den Schulen“

  1. Die Mehr-Aberglauben-in-die-Schulen-Fraktion hat sich durchgesetzt: „Berlin stärkt den bekenntnisorientierten Religionsunterricht. Deshalb wird im Schulgesetz klar festgehalten, dass Religionsgemeinschaften das Recht haben, Religionsunterricht anzubieten. Schulen werden zukünftig verpflichtet sein, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahmeentscheidung die Eltern zur Teilnahme an Religions-/Weltanschauungsunterricht zu befragen.“ Pressemitteilung des Senats vom 26.3.

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