Religionsunterricht – jetzt ist die Katze aus dem Sack

20.04.2025 Nun ist klar, wohin die Reise gehen soll. Günther-Wünsch favorisiert das „Brandenburger Modell“ – der Tagesspiegel berichtete. Es handelt sich um das „verbindliche Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER), von dem man sich aber abmelden kann, wenn man Religions- oder Weltanschauungsunterricht besucht.“ Verbindlich ist es also gerade nicht – im Gegensatz zum Berliner Ethikunterricht, der für alle Schüler ab der 7. Klasse Pflicht ist. Genau genommen bedeutet dieses Modell, Pro-Reli doch noch und entgegen dem erklärten Willen der Berliner Bevölkerung einzuführen, denn es wertet Ethik zu einem Wahlpflichtfach ab und Religion zu einem solchen auf.

Unterschiedliche Interpretationen des Koalitionsvertrages

Zur Zeit findet eine Exegese des Koalitionsvertrages statt. SPD-Bildungsexpertin Maja Lasic sagte dem Tagesspiegel: „Sämtliche Änderungen, die eine Veränderung beim Ethikunterricht vorsehen, sind im Koalitionsvertrag ausgeschlossen“. Andere Stimmen meinen, im Koalitionsvertrag stehe lediglich, dass das Fach Ethik „in seiner bisherigen Form bestehen bleibt“. Dass es nicht abwählbar sein dürfe, wurde nicht zu Papier gebracht.

Ziel des Ethikunterrichts wird ignoriert

Die Befreiung von Ethik hält die Bildungsverwaltung für „attraktiv“, weil die Schüler dann nicht mehr beides belegen müssten. Aber: Kein Schüler muss Religion belegen, und auch immer weniger tun es. Vergessen ist auch der Grund, warum Ethik in Berlin als verpflichtendes Fach eingeführt wurde: der Mord an der jungen türkischen Mutter Hatun Sürücü, die über ihr Leben selbst bestimmen wollte und dafür im Februar 2005 von ihrem eigenen Bruder ermordet wurde. Das neue Unterrichtsfach hatte die Aufgabe, darauf hinzuwirken,

… dass die allgemeinen Werte, wie sie auch im Grundgesetz, in der Verfassung und im Schulgesetz formuliert sind (wie etwa die Gleichheit der Menschen, die Achtung der anderen und die Unantastbarkeit der Persönlichkeit), als notwendige Bedingungen einer friedlichen Gesellschaft eingesehen werden.
Quelle: https://www.berlin.de/sen/bildung/unterricht/faecher-rahmenlehrplaene/ethik/kurzinfo_ethik.pdf

Gerade diejenigen, die mit diesem Unterricht besonders angesprochen werden sollten, würden sich bei dem geplanten Modell in den islamischen RU abmelden.

Haushalt wird nicht entlastet

Ferner behauptet die Bildungsverwaltung:

Wenn die Ethiklehrer weniger Unterricht erteilen müssten, würden sie frei für den vermehrten Einsatz in ihren Zweitfächern … Ethiklehrer könnten dann in Mängelfächern eingesetzt werden … Damit habe das Thema „auch eine Relevanz in der aktuellen Haushaltsdebatte“. [Tagesspiegel]

Anscheinend rechnet man damit, dass sich eine wirklich bedeutende Zahl von Schülern vom LER abmelden wird. Doch aktuell ist eher ein Schwund beim Religionsunterricht zu erwarten. Das zeigt auch die Tabelle im Tagesspiegel. Angeblich stieg die Zahl der Teilnehmer von 165.513 im Jahr 2009 auf 171.281 im Jahr 2024. Doch das ist eine Irreführung. Tatsächlich sank die Zahl der Teilnehmer am Religionsunterricht um rund 16 %, denn Humanistische Lebenskunde, das einzige Weltanschauungsfach, in dem die Teilnehmerzahl stieg, ist gerade keine Religion.

Das Argument Haushaltsdebatte ist ein durchschaubares Täuschungsmanöver. Es werden immer weniger Religionslehrer gebraucht. Mit einem entsprechenden Zweitfach könnten sie in den Mängelfächern eingesetzt werden. Würde die Bildungsverwaltung ernsthaft nach Einsparmöglichkeiten suchen, dann müsste sie den staatlichen Religionsunterricht abschaffen und die Ausbildung der Religionslehrer aus den staatlichen Universitäten auslagern in Einrichtungen, die von den Religionsgemeinschaften selbst betrieben werden. Die Gesetzeslage gäbe das her, doch es erfordert den politischen Willen zu bekenntnisfreien Schulen und zur Auflösung von Verträgen, die den Kirchen dauerhaft Geschenke in Millionenhöhe zusichern. Den Heranwachsenden damit echte Bildung zu vermitteln statt mittelalterlicher Glaubenslehren, wäre eine Investition, die uns allen nützte.

1 Gedanke zu „Religionsunterricht – jetzt ist die Katze aus dem Sack“

  1. https://www.tagesspiegel.de/berlin/religionsschuler-sollen-ethik-abwahlen-konnen-vorstoss-der-berliner-bildungssenatorin-stosst-bei-glaubensgemeinschaften-auf-gemischte-gefuhle-13609498.html
    „Religionsschüler sollen Ethik abwählen können: Vorstoß der Berliner Bildungssenatorin stößt bei Christen und Muslimen auf gemischte Reaktionen

    Überraschend votiert Katharina Günther-Wünsch für den Brandenburger Weg beim Bekenntnisunterricht – anders als im Koalitionsvertrag verabredet. Der Humanistische Verband erinnert an den Volksentscheid „Pro Reli“.[..]

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