Wahlpflichtfach Religion: ohne Plan zum falschen Ziel

09.06.2023 Wenn zwei Parteien in einem Koalitionsvertrag eine Gesetzesänderung oder Neuregelung eines Zustands vereinbaren, erwartet man gewöhnlich, dass sie sich darüber bereits Gedanken gemacht haben. Welche Gedanken sich die schwarz-rote Koalition zum Religionsunterricht gemacht hat, hätte die Grünen-Politikerin Marianne Burkert-Eulitz mit einer Anfrage an den Senat gern erfahren. Aber so nebulös wie der Passus im Koalitionsvertrag, so unbestimmt und ausweichend sind auch die Antworten.

Die Abgeordnete hatte 18 Fragen gestellt zum Thema „Woher kommen die Fachkräfte für ein Wahlpflichtfach Weltanschauungen/Religionen?“. Die häufigste Antwort war „Im Senat sind die Abstimmungen dazu noch nicht abgeschlossen.“

Etwas ausführlicher: Die Berliner Bevölkerung lehnte im Jahr 2009 mit dem Volksentscheid „Pro Reli“ den Wahlpflichtbereich Ethik/Religion eindeutig ab. Seitdem konnte der Senat keine Veränderungen in der Stadtgesellschaft feststellen, die die Einführung eines solchen Wahlpflichtfachs legitimiert hätten. Zudem hat er an keinen Fachgesprächen, Fachtagungen etc. teilgenommen und keine Studien durchgeführt, um den Bedarf einer solchen Schulgesetzänderung mit all den damit verbundenen Maßnahmen zu erkennen. Er hat auch nicht mit Religions- oder Interessensgruppen wie etwa Lehrerverbänden, Eltern, Schülern etc. gesprochen.

Der Senat weiß nicht, wie viele Schüler welchen Religionen angehören und an welchen Religionsunterrichten sie ggf. teilnehmen würden. Unbekannt ist, wieviel Lehrerstunden nötig wären, um den Bedarf zu decken. Es ist unklar, wie der Senat diesen Bedarf decken will oder wie er angesichts des Lehrkräftemangels die Einführung eines neuen Wahlpflichtfachs rechtfertigen will. Genauso ungeklärt ist, ob und wie der Senat die Zahl der Studienplätze für dieses Fach erhöhen will.

Warum nur hat die Koalition das vereinbart? „Der Senat hat in den Richtlinien der Regierungspolitik 2023 bis 2026 die Einführung des Wahlpflichtfaches Weltanschauungen/Religionen als politisches Ziel formuliert“, heißt es in der Antwort. Als politisches Ziel also – fernab von jedem realen Bedarf und im Widerspruch zur Verfassung. Dass eine christliche Partei diesen Wunsch hat, ist nachvollziehbar. Aber dass die SPD das mitmacht? Es ist ein fatales Signal, wenn die kirchlichen Wünsche so tief in die Politik eindringen. Gibt es für den neuen Senat keine wichtigeren Ziele, keine drängenderen Probleme, als die Verbreitung einer archaischen Glaubenslehre?

2 Gedanken zu „Wahlpflichtfach Religion: ohne Plan zum falschen Ziel“

  1. Sie fragte nach Religionswissenschaft und bekam Bekenntnis:
    Frage 12 der Anfrage und die Antwort. Wer kennt da den Unterschied zwischen ReligionsWISSENSCHAFT und BEKENNTNISunterricht nicht? Oder was sind „religionswissenschaftlichen Studiengängen mit
    pädagogischer Qualifizierung“ ?

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